Verhaltenstipps bei Polizeieinsätzen wegen Ruhestörung



In letzter Zeit ist es immer wieder zu Polizeieinsätzen wegen Ruhestörung gekommen.
Ob größere Parties oder einfach nur Geburtstagsfeiern oder Treffen in  Vereinsräumen,
im Hof oder im Garten von linken bzw. alternativen Hausprojekten, die unliebsamen BesucherInnen
in grün beschränken sich oft nicht mehr darauf, auf die Ruhestörung bzw. Anzeigen von Nachbarn hinzuweisen.
Ihr erklärtes Ziel ist die Auflösung der Veranstaltung, die Aufnahme möglichst vieler Personalien und die
Kriminalisierung alternativer Kultur in Leipzig .

Ob im Vereinsraum B12, wo immer noch eine Berufungsverhandlung wegen angeblichem Widerstandes gegen
Vollstreckungsbeamte anhängig ist, bei diversen Hof- und Strassen - Festen in der der Stöckartstrasse
oder wie zuletzt im GIRO, als eine Geburtstagsfeier mittels unverhältnismäßigem Polizeiaufgebot beendet wurde
-die Polizei nimmt sich immer mehr raus, droht mit völlig überzogenen Maßnahmen oder vollzieht diese sogar.

Deshalb ist es um so wichtiger, den überdrehten Ordnungshütern gegenüber geschlossen und konsequent aufzutreten.
Das setzt natürlich die Kenntnis der eigenen Rechte und das Wissen um die Grenzen polizeilichen Befugnisse voraus.


DIE RECHTSLAGE

Strafprozessordnung oder Sächsisches Polizeigesetz?

Die einschlägige Rechtshilfeliteratur  behandelt zum Einen polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit politischen
Aktivitäten und dabei der Verfolgung von Straftaten oder TäterInnen. Anwendung findet bei solchen Vorgängen die
Strafprozessordnung (StPO), die den Beamten weite Befugnisse und Eingriffsermächtigungen verleiht ( zur Verdeutlichung
sei an das beliebte Argument, es herrsche „Gefahr im Verzug“ und bedürfe daher keiner richterlichen Anordnung
erinnert).  Bei der Hausdurchsuchung zur Festnahme von Personen, die einer Straftat verdächtig sind oder der
Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweisstücke für eine Straftat sichergestellt werden sollen: es gilt die StPO.

Zum Anderen finden Polizeieinsätze im Zusammenhang mit der Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung statt, sie dienen dann der Prävention. Diese Befugnisse der Polizei sind im Polizeigesetz (PolG) geregelt.

Grundsätzliches

Da Lärmbelästigung eine Gefährdung der sogenannten öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt, findet meist - aber
nicht ausschließlich -das sächsische Polizeigesetz Anwendung. Deshalb: fragt bei jeder Maßnahme der Polizei, aufgrund
welcher Rechtsgrundlage und wegen welcher Vorwürfe sie handeln. Und, egal, ob StPO oder PolG: verlangt den Namen des/r
EinsatzleiterIn, des Dezernates, des/r Vorgesetzen bzw. der irgendwie für die Maßnahme Verantwortlichen.
Fragt bei der Erteilung von Platzverweisen und Personalienfeststellung nach Namen und Dienstnummer der Beamten. Das zu
erfahren ist Euer Recht, auf dem Ihr beharren solltet. Ihr habt außerdem das Recht, Widerspruch gegen die Maßnahme
einzulegen. Das kann auch mündlich unter Beisein von Zeugen geschehen, der/die Beamte muss das protokollieren. Lasst
Euch nicht so schnell abwimmeln.

Beruft Euch auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zwar hat die Polizei ein Ermessen bei der Einschätzung der Störung
und der besten Mittel diese zu beseitigen. Sie muss jedoch unter allen zur Verfügung stehenden Mitteln immer das
mildeste anwenden, das am wenigsten in Eure Rechte (z. B. das Grundrecht auf Unversehrtheit der Wohnung oder auf
Eigentum) eingreift.

Nun ist es leider inzwischen eine Binsenweisheit: mensch kann seine Rechte noch so gut kennen, die Bullen interessiert
das im Zweifelsfall wenig und gegen eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme, von der Erteilung von Platzverweisen bis
zur Hausdurchsuchung ist mensch in der konkreten Situation oft einfach machtlos. Nichtsdestotrotz gilt: selbstbewusstes
und bestimmtes Auftreten, die Kenntnis Eurer Rechte hat schon so mache Situation gewendet. Also ruhig ein paar
Paragraphen zuviel als zuwenig zitiert. Drohungen wie, „wir sind schneller im Haus als ihr, denkt“ oder „wir hauen euch
die Anlage kaputt“ erfüllen im Übrigen den Tatbestand der Nötigung und Bedrohung und dieses Wissen solltet ihr nicht
für Euch behalten.

Überlegt Euch bei größeren Veranstaltungen vorher, wie Ihr reagieren wollt. Überlegt Euch eine Verhandlungsstrategie
und legt Verantwortliche fest. Je nach Umfang Eurer Veranstaltung kann es Sinn machen, ein Verhandlungsteam zu bilden,
aus dessen Kreis sich jemand als VeranstalterIn zu erkennen gibt.  Ruhestörung ist eine Ordnungswidrigkeit. Das
bedeutet einen Bußgeldbescheid in Höhe von regelmäßig ca. 100,00 € (laut Ordnungswidrigkeitengesetz ist ein Bußgeld bis
1000,00 € möglich!), heißt aber auch, dass die Bullen erst mal zufrieden sind und weniger Stress machen. Also
möglicherweise eine bessere Ausgangsbasis für ein Weiterführen der Veranstaltung.  Möglich ist es auch, einfach die
Musik auszumachen und die Bullen mit dem Hinweis es gäbe jetzt keine Ruhestörung mehr und auch gar keine
VeranstalterIn, wegzuschicken. Diese Entscheidung obliegt letztlich Euch. Sie kann sich aber an folgenden Punkten
orientieren: Wie viele Leute sind da? Um was für Publikum - erfahren im Umgang mit Polizei, betrunken, gefährdet (z.B.
Leute mit Bewährung oder ohne Papiere) etc. -  handelt es sich? Wie viele Beamte kommen vorbei? Habt Ihr Rechtsanwälte,
Abgeordnete unter Euren Gästen?

Einzelne Maßnahmen

Personalienfeststellung (Ausweiskontrolle)- § 19 Nr.1 PolG

In jedem Fall solltet ihr den Grund der Feststellung verlangen. Es ist nämlich so, dass nur bei sogenannten
Kontrollstellen, auf Bahnhöfen, im Grenzgebiet und an Orten an denen „üblicherweise“  Straftaten geplant, begangen etc.
werden verdachtsunabhängige Kontrollen durchgeführt werden dürfen. Außerhalb dieser Orte muss die Personalienaufnahme
geeignet sein, die konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (die sie ja abwenden wollen) auch zu
beseitigen. Da stellt sich uns natürlich die Frage, was das Aufschreiben von Personalien mit dem Beseitigen von Lärm zu
tun hat ... gar nichts. Zumal,wenn die Musik bereits leiser gestellt wurde.

Anders bei der Person, die sich als VeranstalterIn zur Verfügung stellt - dann kann die Polizei nach StPO die
Personalien des /der „Ordnungspflichtigen“ (verantwortlich  nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz) feststellen. Wenn
deren Personalien jedoch feststehen, reicht das völlig aus, dann ist nämlich geklärt, wer den Bußgeldbescheid bekommt
und die anderen Anwesenden müssen nicht mehr belangt werden.

Platzverweis - § 21 Abs. 1 PolG

Platzverweise dürfen ausgesprochen werden, wenn die Ruhestörung von einer Menschenmenge ausgeht. Denkt an den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz! Zuerst muss die Auforderung zum „Leisesein“ ergehen, dann die zum ins Haus gehen
oder„Zerstreuen“ .

Betreten/Durchsuchen - § 25 PolG

Ob Haus oder Hof, die Polizei sollte auf Eurem privaten Eigentum nichts verloren haben. Dem solltet Ihr immer
ausdrücklich widersprechen! Zugang zu öffentlich zugänglichen Betriebs- und Geschäftsräumen (dazu gehören auch
öffentliche Vereinsräume, wobei unerheblich ist ob diese nun eine Bibliothek beherbergen, oder dem Aufenthalt inkl.
Getränkeausschank an dienen.) ist nur während der Geschäftszeiten erlaubt. Anders bei Vereinsräumen, die nur von
Vereinsmitgliedern genutzt werden dürfen (auch hier ist wieder egal, was diese darin so veranstalten) und bei
Vermietung bzw. zur Verfügungstellung für eine private Veranstaltung, dann gilt das private Hausrecht des Veranstalters.

Nach dem PolG kann die Polizei eine Wohnung tagsüber betreten, wenn eine dringende Gefahr für ein wichtiges Rechtsgut,
z.B. die Gesundheit besteht. Nachts (1.4. - 30.9. = 21Uhr -04Uhr; 1.10. - 31.3. = 21Uhr -  06Uhr) darf sie das nur bei
einer sogenannten gemeinen Gefahr, die potentiell auf eine große Anzahl von Menschen zutrifft (normalerweise fällt
darunter Feuer, Wasser etc.). oder einer schweren Gesundheitsgefahr für einzelne Personen. Für eine Lärmbelästigung
trifft das aus zwei Gründen eigentlich nicht zu: Zum einen ist eine Lärmbelästigung nur ab einer bestimmten Intensität
eine schwere!Gesundheitsgefährdung. Da reicht nicht schon eine schlaflose Nacht.  Lautstärke bzw. Frequenz müssen so
unerträglich sein, dass es z.B. zu lebensgefährlichen Migräneanfällen oder Hörsturz bei der Nachbarschaft kommt. Zum
Zweiten steht im sächsischen Polizeigesetz nichts von „Belästigung“  - im Gegenteil zu Polizeigesetzen anderer Länder,
wo die Belästigung neben der schweren Gesundheitsgefahr ausdrücklich Erwähnung findet.

Durchsucht werden kann die Wohnung, wenn sich a) eine Person in der Wohnung befindet, die in Gewahrsam genommen werden
darf, oder sich b) Sachen in der Wohnung befinden, die beschlagnahmt werden dürfen.Dafür bedarf es zwar eigentlich
einer richterlichen Anordnung, aber „Gefahr im Verzug“....ihr wisst Bescheid...

Eine Hausdurchsuchung mit „Gefahr im Verzug “- Begründung geht also zum Einen dann, wenn jemand festgenommen werden
soll. Wie schon erklärt: wegen der Ordnungswidrigkeit Ruhestörung kann niemand festgenommen werden (Bußgeldbescheid
flattert ins Haus, Musik wurde leiser gedreht). Dass aber schnell mal ein Straftatbestand zusammengezimmert wird, wo
keiner ist, hat der Fall in Braustrasse im letzten Jahr gezeigt. Da wurde aus dem Antippen eines Beamten, plötzlich ein
Umstoßen und damit ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Also bei Diskussionen immer schön cool bleiben und genug
Zeugen am Start haben. Am besten macht sich natürlich immer ein/e anwesende/r oder herbeigerufene/r Rechtsanwalt/in
oder Abgeordnete/r.

Eine Hausdurchsuchung zum Zweck der Beschlagnahme der Anlage, setzt voraus, dass die Beschlagnahme an sich
überhauptrechtmäßig wäre. Deshalb ein kleiner Exkurs:

Beschlagnahme § 27 PolG

Die Beschlagnahme muss zum Schutz des Einzelnen oder der Allgemeinheit vor einer bereits eingetretenen oder unmittelbar
bevorstehenden  Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (und dabei handelt es sich bei Lärmbelästigung)
erforderlich sein. Hier spielt wiederum die Verhältnismäßigkeit eine große Rolle, denn schließlich handelt es sich bei
der Beschlagnahme meiner Anlage unter Eindringen in meine Wohnung um nicht ganz unwesentliche Grundrechtseingriffe.
Wenn die Musik  nach der ersten Aufforderung ausgemacht wurde, kann die Anlage daher nicht beschlagnahmt werden! Auch
bei mehrmaligen Aufforderungen lohnt es sich zu diskutieren. Denn : Bei einer Lärmbelästigung wird in der Regel je nach
Größe, Ort und Zeitpunkt der Veranstaltung ein Bußgeld in Höhe von 100,00 - 500,00 € fällig (wobei laut Gesetz je bis
zu 1000,00 € möglich sind, s.o.). Ungefähr soviel kostet es die BesitzerIn auch, wenn Hund nicht angeleint ist und auf
die Strasse kackt. Dafür in privaten Wohnraum einzudringen (Privatsphäre Art. 13 GG) und privates Eigentum (Art. 14 GG)
zu beschlagnahmen (das möglicherweise auch noch Schaden nimmt), steht in keinem Verhältnis zum Ziel der Maßnahme.

Ausserdem:  wenn schon das Recht zum Betreten des Hauses zur Nachtzeit bei Lärmbelästigung äußerst fraglich ist (siehe
oben), sind ungleich schwerere Eingriffe, wie Durchsuchung und Beschlagnahme erst recht unverhältnismäßig.

Diskutieren lohnt sich also auf jeden Fall, zumal ihr so Zeit schindet, um eventuell im Haus befindliche Sachen, die
Ihr ungern der Schnüffelei der BeamtInnen anheim fallen lassen wollt, zu beseitigen. Denn im Falle einer Durchsuchung
dürfen auch  sogenannte Zufallsfunde verwertet werden, die Person der der Gegenstand zugeordnet wurde, muss also
unabhängig davon, ob die Durchsuchung ihr/ihm galt, mit einem Ermittlungsverfahren rechnen. Was sich in
Gemeinschaftsräumen oder auf Dachböden findet, ist im Zweifelsfall aber niemandem zuzuordnen.

Wer trägt die Kosten?

Bei einem größeren oder mehrmaligen Einsatz wird häufig gedroht, die Veranstalter müssten die Kosten des
Polizeieinsatzes bezahlen. Bis dato sind uns diesbezüglich keine Fälle nach sächsischem Polizeigesetz bekannt, über
kurz oder lang wird  Sachsen jedoch versuchen ein Exempel zu statuieren. Auf die juristische Begründung darf mensch
gespannt sein, denn das PolG enthält keine ausdrückliche Kostentragungspflicht in diesen Fällen. Eins steht jedoch
fest: bei einem unverhältnismäßigen Polizeiseinsatz besteht keinerlei Kosterntragungspflicht, denn rechtswidrige
Polizeimaßnahmen muss der Freistaat selber zahlen !

Rechtsweg ja oder nein?

Sollten derartige Bescheide zur Kostenübernahme des Polizeieinsatzes ins Haus flattern, empfiehlt es sich, ohne zu
zögern zum EA bzw. zum Anwalt gehen. Ob Ihr den Rechtsweg beschreitet, könnt Ihr Euch nach eingehender anwaltlicher
Beratung überlegen.

In jedem Fall solltet Ihr derartige Vorfälle öffentlich machen, mit Projekten reden, denen ähnliches passiert ist,
Erfahrungen austauschen, Euch solidarisch aufeinander beziehen. Eine Kampagne gegen Polizeirepression kann ebenso
überlegt werden, wie zukünftiges koordiniertes Vorgehen auf dem Rechtsweg.
Lasst Euch nichts gefallen!

EA Leipzig